Reiseberichte: Feuerland 1998

Mit dem Faltboot einmal rund um Feuerland

Bericht über eine neunwöchige Faltboottour durch den Beagle-Kanal und die Magellanstraße, um die stürmische Südspitze Südamerikas.

 

In einer Region in der pro Tag bis zu drei Tiefdruckgebiete durchziehen, gibt es nach Stürmen mit Stärke neun auch immer mal wieder Phasen zum Träumen und Ausruhen.

 

 

 

 

Bei leichtem Nieselregen setzt unsere Maschine am frühen Abend in der südlichsten Stadt der Welt auf. Von Ushuaia aus wollen Frank und ich unsere Faltbootreise beginnen, die uns einmal herum um Feuerland führen soll. Doch bevor wir in die Boote steigen können, müssen wir erfahren, daß die Südamerikaner in Sachen Bürokratie unseren Verwaltungen in nichts nachstehen und verbringen erst einmal fast zwei Tage auf dem Zollamt. Dann endlich, nachdem auch unsere Paddel mit zweitägiger Verspätung den Weg von Buenos Aires zu uns gefunden haben, brechen wir mit Verpflegung für gut drei Wochen auf. Der Beagle-Kanal empfängt uns etwas untypisch mit sehr sonnigem und windstillen Wetter, so dass wir in den Trockenanzügen anfangs im eigenen Saft schwimmen. Doch schon nach wenigen Tagen auf unserem Weg Richtung Osten zeigt uns das Meer, dass nicht grundlos viele Schiffe bei der Umfahrung Kap Horns auf den Klippen oder in der Tiefe des Meeres geendet sind.

Auch dieser alte 2-Master hat einmal bessereZeiten gesehen. Bei Flut von den Wellen überspült ist er dem Verfall preisgegeben. Nur ein paar Vögel nisten im Inneren des alten Laderaums.

 

Kap Horn liegt nur etwa 100 Kilometer weiter südlich auf einer vorgelagerten Insel. Bei unserem Start in Ushuaia befanden wir uns noch im Schutz der letzten Ausläufer der Anden und der im Süden vorgelagerten Inseln. Nach einigen Tagen verlassen wir diese Region und der Atlantik gewinnt immer mehr an Vorherrschaft. Der Wind weht meist aus West bis Nord, so daß wir zu mindestens nicht mit starker Brandung kämpfen müssen. Doch auch ablandiger Wind mit Stärke Neun ist nicht zu unterschätzen. Der Windschatten der Felsen reicht nicht einmal 100 Meter ins Meer hinein. Wer hier abtreibt, tritt eine 800 Kilometer lange Reise in Richtung Antarktis an.

Die Bäume haben sich an die vorherrschende Windrichtung angepaßt. Nur in etwas geschützteren Lagen wachsen Bäume. Ansonsten geht hier der Pflanzenwuchs in kniehohe Gräser und Büsche über.

 

 

 

 

In der Bahia Thetis direkt vor dem Cap San Vincente liegt die alte Missionsstation Salesiano von Pater Fagnano. Einige verfallene Hütten und hunderte von Rinderfellen, die langsam verrotten, zeugen von besseren Zeiten.

 

Durch tagelangen starken Wind hat sich am Cap San Vincente hohe Dünung aufgebaut. Direkt am Cap führt eine lange Flachwasserzunge ins Meer hinaus, an der sich die Wellen brechen. Da es zusätzlich eine Strömung entgegen der Wellenrichtung gibt, verstärkt sich der Welleneffekt. Die Wellenhöhe steigert sich bei der Umfahrung von zweieinhalb auf sechs Meter. Unsere winzigen Boote werden zu Spielbällen. Erschwerend kommt noch hinzu, dass die Wellen aus zwei leicht unterschiedlichen Richtungen kommen. In dieser Situation ist ein Vorwärtspaddeln quasi unmöglich. Jeder von uns ist nur noch bemüht den leicht brechenden Wellenköpfen mit Paddelstützen Paroli zu bieten. Nur in den kurzen Augenblicken, in denen wir beide auf den Wellenbergen auftauchen, können wir einander sehen. Eine dieser Wellen erwischt Frank und wirft sein schwer beladenes Boot um. Er muss aussteigen. Gemeinsam gelingt uns sein Wiedereinstieg. Das Auspumpen des vollgeschlagenen Bootes wird durch die Brecher mehrfach zunichte gemacht, da die Spritzdecke der Gewalt nicht stand hält. Erst nach ca. einer halben Stunde können wir weiterpaddeln. In der Zwischenzeit hat sich Nebel über die Situation gelegt und wir müssen feststellen, dass uns die Strömung wieder zurückversetzt hat. Erschöpft steuern wir nach vier Stunden im Boot die selbe Bucht an, von der wir morgens gestartet waren.

Am nächsten Morgen beginnen wir bei deutlich besseren Bedingungen einen erneuten Versuch. Diesmal ist uns das Wetter hold. Problemlos umrunden wir das Kap und einige Stunden später treffen wir auf eine Schule von Orcas, die in nur nur ca. 50 Meter Entfernung an uns vorbei Richtung Süden ziehen. Zwei jüngere Tiere machen einen kurzen Abstecher zu zwei seltsamen, im Wasser treibenden Gegenständen, aus denen zwei Touristen ängstlich in die Tiefe glotzen. Doch bereits nach wenigen Minuten ist ihre Neugier gestillt. Sie kehren zu den anderen Orcas und unser Puls wieder unter die 200er Marke zurück.

 

Aus Zeitgründen und weil uns der nördliche Teil Feuerlands landschaftlich nicht ganz so aufregend erscheint, legen wir die Strecke von Rio Grande bis Punta Arenas mit dem Bus zurück. In Punta Arenas benötigen wir fünf Tage um die dringend notwendigen Genehmigungen der chilenischen Armada einzuholen. Punta Arenas gehört zu den windigsten Regionen überhaupt. Wir zelten im Garten eines Guesthouses im Windschatten. Trotzdem büßen wir in einer Sturmböe eine Zeltstange ein und das Außenzelt nimmt schweren Schaden , so dass erst einmal größere Flickarbeiten notwendig werden. Die selbe Böe hat im zentralen Park der Stadt einige große Bäume entwurzelt. Es wird uns klar, dass wir zum Queren der Magellanstraße einen günstigen Augenblick abpassen müssen.

Die Wartezeit in Punta Arenas nutzen wir zum Besuch einer Kolonie von Magellan-Pinguine, die in Höhlen brüten. Die Station wurde in Zusammenarbeit mit dem Frankfurter Zoo eingerichtet. Während unserer Paddeltour haben wir diese Tiere des öfteren im Wasser beobachtet, aber nie an Land.

 

Von Punta Arenas aus ist zu diesem Zeitpunkt der ca. 100 Kilometer im Süden liegende Monte Sarmiento (ca. 2400 Meter) sichtbar. Nach Aussage der Einheimischen bleibt nun das Wetter für drei Tage ruhig. Diese Zeit nutzen wir zur Querung der Magellanstraße und um die südlichen Kanäle zu erreichen. Da erneut starker Wind aufkommt beschliessen wir, nicht die südwestliche Route zu nehmen, sondern zwischen zwei Kanälen über einen Pass umzutragen.

Der Übergang hat nur eine Breite von fünf Kilometern und maximal 500 Metern Höhe. Der teilweise dichte, weglose Urwald, der Sumpf und das sperrige Faltbootgepäck machen diese zweieinhalb Tage allerdings trotzdem zu den Anstrengendsten der gesamten Reise.

 

 

 

 

Als wir endlich wider den Beagle-Kanal erreichen, empfängt er uns mit sehr untypischem Wetter - Sonne und Windstille.

 

Auf beiden Seiten des Beagle-Kanals liegen hohe, zum Teil vergletscherte Berge. Des öfteren begegnen wir nun Brucheis und hier probt Frank schon einmal den Ernstfall, falls sein Boot entgültig den Geist aufgeben sollte.

 

 

 

 

Am Rande solcher Gletscherabbruchkanten heißt es aufgepasst. Die durch diesen Abbruch entstandene Flutwelle hätte beinahe die auf den Felsen liegenden Boote fortgespült.

Wahrlich entspannend erscheint uns die Zeit auf dem Beagle-Kanal. Immer wieder erreichen wir Buchten mit Gletscherabbrüchen und Felsenklippen mit Seelöwenkolonien.

 

 

 

 

Durch die ruhigen Verhältnisse und unsere auf schwierigeren Bedingungen abgestimmten Tagesetappen bleibt uns abends viel Zeit für die angenehmen Dinge einer solchen Reise. (Kekse backen, ausspannen und Vögel beobachten). Seehecht, Sardinen, Muscheln und Seeigel bereichern nun unseren sonst sehr eintönigen Speiseplan.

 

 

Blick von oben auf den Beagle-Kanal mit seinen geschützten Buchten und im Vordergrund einer der wenigen Sandstrände.

 

 

 

 

Hier oben beobachten wir eine lange Zeit einen jungen Kondor, der am Hang seine ersten Flugversuche im Aufwind macht.

 

 

Abends beobachten wir eine größere Gruppe von Albatrossen, die in unserer Bucht umherschwimmen. Bei näherer Betrachtung erkennen wir, dass große Schwärme von Sardinen direkt am Ufer entlangziehen. Sofort ziehen wir Schuhe und Hose aus und versuchen uns mit Töpfen bewaffnet am Fischfang. Die Schwärme werden immer dichter und wir beginnen mit den bloßen Händen zu arbeiten. Es kommt uns vor, wie der Griff in eine volle Fischkiste.

 

 

Mitten in den Schwärmen entdecken wir Seehechte, die ihren Hunger stillen. Durch die kleinen Wellen werden sie an den Strand gespült. Bevor sie zurückkriechen können, werfen wir sie den Strand hinauf. So beenden wir diesen Tag mit 50 Sardinen, 13 Seehechten und recht klammen Fingern. Manchmal meint es Neptun eben doch sehr gut mit uns.

 

Wenige Tage später erreichen wir Ushuaia und damit den Endpunkt unserer Reise. Der erste Schnee auf den Bergen um die Stadt zeigt uns, dass der kurze Sommer sich dem Ende neigt und es für uns Zeit wird die Heimreise anzutreten.

 

 

 

 

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